
Am 28. November 2024 fand die erste Veranstaltung der neuen Diskursreihe #NoFilter BW – Kunst im öffentlichen Raum statt. Organisiert von YouTransfer e.V. in Zusammenarbeit mit der Landesgruppe Baden-Württemberg der Kulturpolitischen Gesellschaft, bot das Online-Format eine Plattform für den offenen Austausch zwischen Kulturakteuren, Verwaltungen, Institutionen und der freien Kunstszene.
Ziel der Reihe ist es, aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und innovative Ansätze im Bereich der Kunst im öffentlichen Raum in Baden-Württemberg zu beleuchten. Vertreter*innen aus Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe präsentierten spannende Projekte, die unterschiedliche Facetten dieses Themas aufzeigen.
Impulse aus den Städten: Kunst als integraler Bestandteil urbaner Räume
Freiburg: Quartiersentwicklung durch Kunst
Ann-Kathrin Harr (Kulturamt Freiburg) stellte das Projekt KiöR Gutleutmatten vor, das Kunst als Element der sozialen und städtebaulichen Entwicklung eines Quartiers nutzt. Ein zentrales Werk ist die Installation Brace von Anna Schütten – zwei monumentale Stahlklammern, die eine offene Fläche im Stadtteil markieren und als Präsentations- und Interaktionsraum dienen.
Unter dem kuratorischen Titel „Gardens of Ambivalence“ werden bis 2028 weitere künstlerische Interventionen realisiert. Das Projekt zeigt, wie Kunst den öffentlichen Raum nicht nur optisch gestaltet, sondern auch neue Begegnungsräume schafft und soziale Prozesse anregt.
Stuttgart: Kunst an der Schnittstelle von Körper und digitaler Öffentlichkeit
Daniel Beerstecher (Kunstverein YouTransfer e.V.) präsentierte seine Performance Walk in Time (2019), eine radikale Entschleunigung als künstlerische Strategie. Über zehn Wochen legte er einen kompletten Marathon in extremer Langsamkeit zurück – mit einer Geschwindigkeit von nur 120 Metern pro Stunde.
Die Performance wurde durch digitale Technologien erweitert: Live-Daten zu Schrittzahl, Herzfrequenz und Bewegung wurden online sowie in Kunstinstitutionen visualisiert und dokumentiert. Über soziale Medien erreichte das Projekt über 100.000 Interaktionen, wodurch es sich nicht nur im physischen, sondern auch im digitalen öffentlichen Raum verankerte. Die Diskussion zeigte, dass digitale Plattformen ein neues Publikum für Kunst im öffentlichen Raum erschließen können.
Karlsruhe: Kunst am Bau als lebendiges System
Susanne Ablaß (Kulturbüro Karlsruhe) und ihr Team stellten das städtische Kunst-am-Bau-Programm vor, das künstlerische Gestaltung gezielt in den urbanen Raum integriert. Ein herausragendes Beispiel ist Aktionspotential von Johanna Wagner (2023) – eine interaktive Lichtskulptur an der Heinrich-Hertz-Schule, die auf Bewegungssensoren reagiert und Videosequenzen projiziert.
Die Skulptur, inspiriert von neuronalen Netzwerken, ist nicht nur visuell beeindruckend, sondern ermöglicht auch partizipative Erweiterungen durch Schülerprojekte. Dieser flexible Ansatz zeigt, wie Kunst am Bau mitwachsen und sich weiterentwickeln kann.
Diskussion: Welche Zukunft hat Kunst im öffentlichen Raum?
Die abschließende Diskussion wurde von Clair Bötschi (Vorstand YouTransfer e.V.) moderiert. Drei zentrale kulturpolitische Empfehlungen kristallisierten sich heraus:
1. Flexibler Umgang mit bestehenden Kunstwerken
Viele Städte setzen auf eine Aneinanderreihung von Kunstwerken, ohne eine langfristige Strategie für ihre Integration und Pflege. Statt immer mehr neue Werke zu produzieren, sollten bestehende Arbeiten flexibler in künstlerische Prozesse einbezogen oder transformiert werden.
2. Bewusstsein für neue Kunstformen im öffentlichen Raum
Die Beiträge zeigten, dass Kunst im öffentlichen Raum über klassische Skulpturen und Installationen hinausgeht. Digitale Kunst, temporäre Performances und partizipative Projekte sollten stärker in kulturpolitische Konzepte einfließen, um aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen abzubilden.
3. Vielfalt fördern und Ressourcen schaffen
Es braucht neue Fördermodelle für hybride und experimentelle Formate, die digitale und physische Kunst verbinden. Gleichzeitig wurde angeregt, die Handreichung des Deutschen Städtetags von 2013 zu überarbeiten, um die veränderten Anforderungen an Kunst im öffentlichen Raum zeitgemäß zu reflektieren.
Fazit: Eine Plattform für die Kunst der Zukunft
Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie vielseitig und dynamisch Kunst im öffentlichen Raum heute gedacht werden kann – von sozial engagierten Skulpturen bis zu digitalen Performances. Die Impulse aus Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe lieferten wertvolle Ansätze, wie Kunst in Baden-Württemberg weiterentwickelt und in gesellschaftliche Prozesse eingebunden werden kann.
Mit #NoFilter BW hat die Kulturpolitische Gesellschaft BW eine wichtige Plattform geschaffen, um neue Perspektiven zu diskutieren und Kulturpolitik aktiv mitzugestalten. Die nächsten Veranstaltungen werden diesen Austausch fortsetzen und weiter vertiefen.
Wir danken allen Beteiligten für die inspirierenden Impulse und freuen uns auf die Fortsetzung der Reihe!